Freitag, 7. Mai 2010

Kitwe...

Trotz meiner netten Erklärung über den Grund meines Aufenthaltes und eines Referenzschreibens der Copperbelt University, muss ich nun nach Lusaka reisen und den Permanent Secretary persönlich treffen. Wahrscheinlich muss er sich erst von meiner realen Existenz überzeugen, bevor ich seine offizielle Forschungserlaubnis bekomme. Naja, aber wenigstens kann ich dann gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen und am Samstag ein China-Zambia-Business-Seminar wahrnehmen, für das ich mich schon wohlweislich angemeldet habe. Außerdem möchte ich auch Mercy, meinen Schulschützling, bei der Zimmersuche unterstützen. Das geht nur, wenn ich vor Ort bin und den Verantwortlichen für die Studienräume meine Hautfarbe bewusst wird...traurig aber wahr! Mir wurde unmissverständlich klargemacht, dass ich nur anwesend sein muss, „dann lässt sich schon was arrangieren“ (O-Ton).
Daher mache ich mich gleich wieder auf den 6 bis 7-stündigen Rückweg nach Lusaka und kehre Kitwe für ein paar Tage den Rücken. Da sich meiner Malaria gleich noch ne fiese Darmkrankheit angeschlossen hat, bin ich immer noch auf Medikamenten und kann demnach nicht mal ein wenig feiern gehen in Lusaka =(
In den letzten 2 Wochen hab ich hier in Kitwe das erste Mal richtig bewusst gesehen, was mir von vielen schon erzählt worden ist. Kitwe hat ein großes Problem mit Straßenkindern (wahrscheinlich hat es jede Stadt in Zambia, aber hier sind sie wesentlich offensichtlicher ins Stadtbild integriert). Die Meisten liegen auf einem kleinen Wiesenabschnitt vor dem Edingbourgh Hotel (das einzige Hotel in Kitwe) mitten in der Innenstadt. Wobei man sagen muss, eine Innenstadt im eigentlichen Sinne, wie wir sie uns vorstellen gibt es nicht. Die Altersklassen reichen von schätzungsweise 6 Jahren bis Ende 20. Die Jüngeren versuchen Geld zu verdienen durch Autowaschen oder Trägerjobs oder betteln einfach nur. Die Älteren halten sich eher mit gelegentlichen Diebstählen über Wasser (bei meinem ersten Aufenthalt in Kitwe vor rund 1,5 Jahren wurde ich auch um mein Handy erleichtert)...das erworbene Geld wird sofort in Kleber investiert. Dieser Kleber, erhitzt und tief inhaliert, ergibt eine berauschende und benebelnde Wirkung, die den Straßenkindern für wenige Minuten erlaubt, dem Alltag zu entfliehen. Danach liegen sie wie tot auf der Wiese, auf der Straße oder wo sonst sie gerade den Kleber geschnüffelt haben. Es hat sich schon ein regelrechter Kleberdealerring gebildet, der die Konsumenten immer mit Nachschub versorgt. Der Vorteil gegenüber anderen Drogen liegt auf der Hand: Kleber ist günstig, wirkt schnell und ist nicht illegal, man kann also von der Polizei für den Besitz von Kleber nicht belangt werden. Das Schnüffeln von Kleber ist ja schon von Natur aus nicht unbedingt das Gesündeste, was man machen kann, aber dieser Stoff ist meist noch mit diversen dreckigen Chemikalien verseucht, die das Hirn noch umso mehr angreifen. Als ich das erste Mal an dem Platz vorbei kam, konnte ich gar nicht glauben was ich sehe, obwohl ich mittlerweile, was Armut betrifft, einiges gewöhnt bin. Ich habe es auch gar nicht verstanden...eine Horde Jugendlicher, die sich jeder Plastikflaschen an die Nase drücken und danach reihenweise wegsacken. Mehr als nur einmal wurde ich von ein paar von denen angesprochen, nur um mitzubekommen, dass sie nicht mal mehr in der Lage waren, sich zu artikulieren.
Und das Schlimme daran ist, dass sich keiner mehr daran stört, keiner ist mehr schockiert, sondern es gehört einfach zu Kitwe dazu, jeder hat sich daran gewöhnt. Vielleicht kommt ab und zu mal die Polizei vorbei, vertreibt die Jugendlichen....ganz nach dem Prinzip: Aus den Augen, aus dem Sinn....aber spätestens am nächsten Tag sitzen sie wieder da.
In Zambia stirbt die Elterngeneration einfach weg....HIV und AIDS macht zwar vor Niemanden halt, aber am stärksten betroffen ist die arbeitsfähige Generation, die meistens ihre Kinder als Waisen hinterlassen, falls nicht die Großeltern oder andere gnädige Familienmitglieder die Pflege übernehmen. In wenigen Jahren werden in Zambia 1 Million AIDS-Waisen leben, in einem Land, das gerade mal 12 Millionen Einwohner hat, ist das eine unvorstellbare Zahl. Die wenigen Waisenhäuser, die existieren, sind heillos überfüllt und in einem erbärmlichen Zustand...nicht selten müssen die Kinder selbst dort hungern und Schulausbildung ist auch nicht garantiert. Daher landet ein Großteil auf der Straße und versucht dort für sich selbst zu kämpfen. Es ist unglaublich, wenn man Kleinkinder sieht, die ganz auf sich selbst gestellt sind. Im Besten Fall gehören sie einer Gruppe an, um überleben zu können. Straßenkinder werden hier wie Dreck behandelt. Sie werden geschlagen, getreten, ignoriert. Mädchen werden vergewaltigt, was sie automatisch dem gleichen Schicksal ihrer toten Eltern ausliefert.
Wenn man sich das vor Augen führt, kann man ein wenig mehr nachvollziehen, warum sie wenigstens für ein paar wenige Minuten versuchen der Realität zu entfliehen....und sich dem Rausch hingeben.
Kein schönes Thema, aber auch eine Seit von Zambia!

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